Wenn der Himmel voller Bücher hängt

Rückblicke auf einen Museumsbesuch und mein Interview mit dem Trendbüro Hamburg

Im November habe ich, kurz vor Ende der Ausstellung, die letzte Gelegenheit zum Besuch von „Bücherhimmel – Bücherhöllen“ in Zürich genutzt. Es war ein wunderbarer Nachmittag mit Büchern in ihrer unterhaltsamsten Form: Orte des Lesens, Gründe für das Lesen und Kuriositäten über das Lesen und die Bücher selbst wurden inszeniert.

Bücherhimmel in Zürich
Ich selbst im Bücherhimmel in Zürich

Im Nachgang des Museumsbesuchs haben mich, wie so oft, zwei zentrale Fragen beschäftigt:

♦ Was macht die Aura der Bibliothek aus?
♦ Ist sie am Buch festzumachen oder am Raum, und sei dieser noch so klein, z.B. in Form eines Sessels in einer kleinen Leseecke?

Diese Fragen erinnerten mich an die anregende Diskussion, die ich im Rahmen eines Interviews mit dem Trendbüro Hamburg im September führte.[1] Hier kamen Fragen auf wie:
♦ Was zeichnet einen gut ausgestatteten Arbeitsraum aus?
♦ Braucht es Bücher in einer Bibliothek? Wozu braucht es überhaupt eine Bibliothek?
Gerade letztere Frage wird im Zuge der Digitalisierung von Literatur scheinbar immer zentraler.

Ich stelle mir folgende weiterführende Fragen zur Aura der Bibliothek: Ist der museale Sammlungseffekt entscheidend? Der materielle Wert der Bücher? Oder liegt vielmehr die Betonung der Bedeutung einer Bibliothek auf der Anwesenheit anderer, deren Kopräsenz, oder – soziologisch gesprochen – auf dem Sozialen Raum? Ist der Soziale Raum der Grund, warum man dorthin zum Lesen und Arbeiten geht? Vielleicht liegt die Bedeutung der Bibliothek sogar in ihrer identitätsstiftenden Funktion als einer Institution, in welcher Studierende und Forschende viel Zeit verbringen.

Sollte der Soziale Raum zentral für die Bedeutung der Bibliothek sein, wäre denkbar, die materielle Bibliothek durch eine virtuelle (wie es sie z.B. in Second Life gibt oder wie sie von Albert Kümmel-Schnur im Projekt Real//Virtual//Art für die Universitätsbibliothek Konstanz entworfen wurde) abzulösen. Sollten jedoch die Bücher als Gegenstände mit leiblicher Erfahrbarkeit (an neugedrucken Büchern riechen, sanft über alte Buchseiten streichen, das Gewicht von schweren Folianten mit beiden Händen tragen…) zentral sein, so wird es immer Bibliotheken geben – unabhängig von der Digitalisierung von Literatur.

Abschliessen möchte ich diese Überlegungen mit folgender Frage: Was fasziniert uns mehr: Unzählige Terrabyte digitale Literatur oder viele 100 Regalmeter voller Bücher?


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6 Gedanken zu “Wenn der Himmel voller Bücher hängt

  1. Ein schönes Foto und sicherlich eine interessante Erfahrung im Bücherhimmel!
    Die Fragen klingen so einfach und sind doch hochkomplex. Als Buchhändlerin, Bibliothekarin und Bibliothekswissenschaftlerin liebe ich Bücher und kann mir kein Haus ohne Bücher vorstellen. Aber am Arbeitsplatz und in der Lehre arbeite ich nur noch selten mit Büchern. Iin modernen Gebrauchsbibliotheken sind Bücher heute eben nur noch ein „Format“ und den Benutzer/Kunden interessiert der Inhalt, kaum das Format der Information. Meine Vision der modernen Bibliothek: ein sozialer Raum, in dem man mit Informationen/Büchern arbeiten kann, allein oder gemeinsam, der das Lernen unterstützt und vor allem mit Informationsspezialisten, die kompetent den Weg durch den Informationsdschungel leiten und die Zugänge zu den Informationen und dem Wissen der Welt managen.

  2. Liebe Frau Behm-Steidel,
    herzlichen Dank für Ihren weiterführenden Kommentar!
    Mit Blick auf Ihre Hochschule möchte ich ergänzen, dass für mich auch ein Garten zu einer Bibliothek oder einem Wissensraum im weiteren Sinn dazugehört – genau so, wie er in Hannover in der Bibliothek der Hochschule besteht.
    So fügen sich zwei Komponenten zusammen: Der soziale Raum, welcher das Lernen und Lehren ermöglicht (die Rolle der BibliothekarInnen als GatekeeperInnen des Wissens möchte ich hier ausklammern) und der materielle Raum, welcher Anregung und Inspiration bietet. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass Menschen ganz unterschiedliche Vorstellungen von und Wünsche an einen Raum der Inspiration haben: Hohe Decken, Lesesäle, Bücherregale soweit das Auge reicht oder Aussenbezug, ein Blick ins Grüne, puristisch gehaltene Einzelarbeitsräume – die Geschmäcker und Ideale sind verschieden, manchmal sogar abhängig von der jeweiligen Arbeitsphase.

    Meine ideale Bibliothek wäre jene, die möglichst viele Raumaspekte berücksichtigt, so dass auch nach Stimmung, Arbeitsauftrag und Gruppenzusammensetzung der passende Raum gewählt werden kann.

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