„Wer in einem Restaurant die Paare beobachtet, kann aus der Länge der Gespräche Schlüsse auf die Dauer der gemeinsam verlebten Zeit ziehen.
Je kürzer die Konversation, desto länger die Gemeinschaft.“

André Maurois (1885-1967, franz. Schriftsteller)

Unter dem Arbeitstitel „Alltäglichkeit in Fernbeziehungen“ entstand meine Magisterarbeit, die sich im Spannungsfeld von Mobilität, Individualisierung und multilokalem Wohnen verorten lässt. Die Arbeit widmet sich zunächst der grundlegend notwendigen Begriffsklärung im Bereich der Paarbeziehungs-Semantik. Darauf folgt ein Überblick über einschlägige Forschungsergebnisse bisheriger Untersuchungen, besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Aspekte Mobilität, Bildungsexpansion und Individualisierung gelegt.

Im empirischen Teil werden mit Hilfe eines qualitativen Forschungsdesigns vergleichbare Strukturen, aber auch Unterschiede innerhalb der Partnerschaften näher untersucht. Dazu wurden in den Jahren 2005/2006 fünf Paare im Alter zwischen 20 und 60 Jahren im Rahmen von Paarinterviews und Einzelinterviews befragt (Leitfadeninterviews, Kurzfragebogen, Auswertung in Anlehnung an Grounded Theory). Besonderes Augenmerk lag auf dem Entscheidungsprozess, den Paare durchlaufen, bevor sie sich zu einer Beziehung auf Distanz entschließen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Berufstätigkeiten der Partner, die berufliche Motivation und individuelle Karriereziele. Des Weiteren wird kritisch hinterfragt, ob Fernbeziehungen vor allem aus der (vermeintlichen) gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hin zu vermehrter Individualisierung entstehen. Die Diskussion über Lebensform vs. Lebensphase wird anhand der untersuchten Paare neu belebt und überprüft.

Zu den wichtigsten Ergebnissen zählt die Markierung der Polarität innerhalb von Fernbeziehungen: Einer der beiden Wohnorte wird betont und erhält in einigen Fällen sogar die Bedeutung des gemeinsamen Hauptwohnsitzes. Im Zusammenhang mit der Polarität rückt die Frage nach der Entstehung von Alltäglichkeit und Alltagsrhythmus in den Vordergrund.

Einen speziellen Teilaspekt stellt die Frage nach Ambivalenzen in Fernbeziehungen dar. Ausgehend von der bereits ambivalenten Begrifflichkeit zur Bezeichnung von intimen, sehr durch Nähe geprägten Paarbeziehungen, deren offensichtliches Merkmal hier jedoch die Distanz ist, wird untersucht, welchen Einfluss die Spannungsfelder Beruf – Privatleben, Verwurzelung am eigenen Wohnort – am Wohnort des Partners/der Partnerin sowie Individuum – Dyade auf die Gestaltung und das subjektive Erleben der Partnerschaften ausüben. Im Rückbezug auf die Phänomene Mobilität und Individualisierung lassen die Ambivalenz-spezifischen Ergebnisse Rückschlüsse zu, in wie weit Fernbeziehungen als Lebensform von den Betroffenen aktiv selbst gewählt sind bzw. in welchen Hinsicht eine Partnerschaft auf Distanz für manche Paare eine Notlösung darstellt.

Publikation zu den Ergebnissen:

Eva-Christina Edinger (2007): Liebe mit Sonntagsgesicht. Eine empirische Studie über Alltäglichkeit in Fernbeziehungen, München: Grin Verlag.

Eva-Christina Edinger (2007): Das ist der Vorteil von so einer Beziehung, dass man sein Sonntagsgesicht versucht aufzusetzen. Eine empirische Studie über Alltäglichkeit in Fernbeziehungen, Konstanz: Univ., Magisterarbeit, elektronische Veröffentlichung.