Fundstück der Woche #8: Leitfaden „Usability in Bibliotheken“

Wer meine Arbeit kennt, weiss, das ich seit einigen Jahren zwei Konzepte aus dem Webdesign einsetze, um materiell-räumlich-soziale Konzepte in Bibliotheken aus der Perspektive der Raumsoziologie zu erklären. Diese Konzepte sind die Informationsarchitektur und das User Experience Design (UXD). Im Blogpost „Wissensraum und Labyrinth“ gebe ich einige Einblicke in Ergebnisse aus meinem Projekt und mache daran deutlich, warum es so essentiell ist, dass die Informationsarchitektur einer Bibliothek (also welche Bestände wo zu finden sind) und die Navigation in selbiger für die NutzerInnen leicht nachzuvollziehen und zu nutzen sind.

Und jetzt habe ich einen Leitfaden zur Usability in Bibliotheken gefunden und zwar an der HTW Chur.  Thematischer Einstieg in diesen Leitfaden stellt die „zunehmende Digitalisierung von Wissen“ dar. Die Neugierde hatte mich also gepackt und meine ersten Eindrücke seien im Folgenden vorgestellt.

Der Leitfaden stellte sich schnell als Evaluationstool heraus – aber die Inhalte sind dafür umso überraschender. Es dreht sich nicht alles nur um den digitalen Auftritt von Bibliotheken, sondern beispielsweise auch um den „Lageplan“ zur Bibliothek – das was ich als Meso-Ebene von Orientierung und Navigation bezeichne (siehe Blogpost „Wissensraum und Labyrinth“). Die Meso-Ebene bezieht sich auf die Orientierung innerhalb der Bibliotheksgebäude. Im Usability-Leitfaden der HTW Chur wird folgende Frage gestellt: Ist ein Lageplan vorhanden? – Der Lageplan zeigt sowohl die Lage der Bibliothek als auch die Anordnung der Räumlichkeiten selbst. Es wird klar, wie die Bibliothek in das Gebäude integriert ist, und wo welche Themenbereiche angesiedelt sind.“[1]

Schild in der Bibliothek der PH Zürich (September 2012)

Das erinnert mich direkt an meinen ersten Besuch der Bibliothek auf dem neuen Campus der PH Zürich vor einigen Wochen. Hier gab es keinen Lageplan am Eingang, die Bestände sind nach Regensburger Verbund Klassifikation (RVK) aufgestellt (wie ich auf Nachfrage erfahren habe) und die Schilder waren auch nicht wirklich aussagekräftig. „Bestände M-S“  – mir sagt das immer noch nicht viel und ich glaube nicht, dass Erstsemester das verstehen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf den  Dewey Decimal Rap aufmerksam machen. Es ist schon eigenwillig, wenn wir die Aufstellung von Bibliotheksbeständen auswendig lernen müssen wie Latein-Vokabeln. Das hat mit Usability erst einmal nichts zu tun.

Schade, dass die PH Zürich bezüglich der Orientierung im Bibliotheksgebäude keinen Gebrauch von diesem Leitfaden gemacht hat. Aber vielleicht kommt das noch.

Zurück zum Leitfaden selbst. Besonders gut gefällt mir der Abschnitt „Suchen und Erkunden“, weil hier das aufgegriffen wird, was Umberto Eco immer wieder deutlich macht:

„Warum ist nun der freie Zugang zu den Regalen so wichtig? Eines der Mißverständnisse, die den allgemeinen Begriff der Bibliothek beherrschen, ist die Vorstellung, daß man in eine Bibliothek geht, um sich ein bestimmtes Buch zu besorgen, dessen Titel man kennt. […] aber die Hauptfunktion einer Bibliothek […] ist die Möglichkeit zur Entdeckung von Büchern, deren Existenz wir gar nicht vermutet hatten, aber die sich als überaus wichtig für uns erweisen.“[2]

Der Leitfaden thematisiert das Browsen – nicht am Regal, aber zumindest im Katalog – parallel zur gerichteten Recherche. Dem Browsen ist sogar ein eigener Abschnitt im Leitfaden gewidmet! Nur: Hat man ein Buch im Katalog gefunden, das einen interessiert, ist die große Frage: Wie komme ich vom Katalog zum Buch? Der Leitfaden fragt: „Werden alle notwendigen Informationen angeboten, wo ein Objekt in der Bibliothek zu finden ist? – Bibliothek, (Standort), Raum/ Fachbereich, Regal und Signatur sind in herkömmlichen Bibliotheken notwendig, um ein Objekt zu lokalisieren.“[3]

Hier komme ich ins Schwärmen! Das beste Tool für diesen Bedarf ist die Find me-Funktion der Uni-Bib Konstanz. Diese Find me-Funktion verknüpft hervorragend den virtuellen und den materiellen Raum. Mit einem Mausklick wird eine Karte der Bibliothek erzeugt. In dieser Karte sind das Gebäude markiert, ein Stockwerkplan abgebildet und sogar das Regal, in welchem sich das gesuchte Buch befindet, rot hinterlegt. Das nenne ich Usability, die dazu beiträgt, dass ich als Bibliotheksnutzerin ein möglichst erfolgreiches und angenehmes Bibliothekserlebnis habe, ob im virtuellen Katalog oder vor dem materiellen Regal!

Find me-Funktion Universitätsbibliothek Konstanz [4]

Mein Fazit: Der Leitfaden hat durchaus Qualitäten. Allerdings wird er wohl zu wenig beachtet und Beispiele für best practice könnte man auch noch integrieren!

[2] Eco, Umberto. 1987. Die Bibliothek. München: Hanser. S. 24 (letzter Zugriff: 07.11.2012)

Creative Commons License

3 Gedanken zu “Fundstück der Woche #8: Leitfaden „Usability in Bibliotheken“

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..