Erfahrbares Zürich – Überlegungen zu 150 Jahre Underground in London und zur Zürcher Tram

London feiert 150 Jahre U-Bahn (10.01.2013). Die Underground prägt das Selbstverständnis der Stadt entscheidend mit. Die Symbole werden zu Markenzeichen der Stadt und das U-Bahn-Netz stellt den Referenzrahmen für die Orientierung in der Stadt dar: „It is no wonder that this map is often reffered to as a modern icon, a symbol of London, representing not just the subway but even the city itself.“[1]

EDINGER Tram Zürich
Zürcher Tram (© Eva-Christina Edinger)

Ganz anders in Zürich: Hier gibt es nur ein kleines Stück U-Bahn in Form des Milchbucktunnels. Zürich ist, wie ich im folgenden zeigen möchte, somit im doppelten Sinn erfahrbar:

Mit einer Tram-Fahrt sind nahezu alle Orte der Stadt erreichbar. Und zugleich lässt sich die Stadt von der Tram aus erfahren bzw. erleben: Man lernt die Stadt kennen, die Verkehrsachsen, die Perspektiven auf das Stadtbild – und das eben genau durch das oberirdische Fahren!

2011-12 wurde der Milchbucktunnel renoviert, Ersatzbusse waren im Einsatz. Und plötzlich war die oberirdische Gegend zwischen Milchbuck und Schwamendingerplatz erfahrbar – bequem vom Fenster des Busses aus.

Zürich ist, gerade durch die oberirdische Tram, ganz anders erfahr- und erlebbar als beispielsweise London. Eine U-Bahn verwandelt die Stadt in zusammenhängende Punkte, an welchen man in den Untergrund ab- und etwas weiter entfernt wieder aus diesem auftaucht. Die Verbindungsstücke dazwischen bleiben anonym. Die oberirdische Tram macht auch die Verbindungen erfahrbar.

Zwei besondere Erfahrungen (wieder im doppelten Sinn) waren für mich im letzten Jahr das Krimitram und das Fonduetram. Das Krimitram entführte die Mitfahrenden in Gegenden, in welche ich sonst selten komme. Und entlang der Tramstrecke entwickelte sich die Roman-Handlung. Kaum lauschte man dem Erzählen von einer Verfolgungsjagd  an den Viaduktbögen, schon passierte man diese. Fiktion und Realität verschmolzen ineinander. Im Fondue-Tram schmolz hingegen vor allem der Käse und die Stadt wurde wieder anders erfahrbar: In der Vorweihnachtszeit kann man in diesem Tram warm, bequem und gut verköstigt alle großen und kleinen Zentren der Stadt erfahren, an Weihnachtsmarktständen vorbei, das bunte Treiben beobachtend und die ganze Pracht der Weihnachtsdekoration bewundernd. Diese Erfahrungen sind mit einer U-Bahn unmöglich. So trägt die Zürcher Tram zum Bild der Stadt bei.

Auch ich ärgere mich hin und wieder über die Nachteile einer oberirdischen Tram (z.B. bei Verkehrsüberlastung oder Schneefall), dennoch möchte ich diese Erfahrbarkeit von Zürich nicht missen!


[1] Vertesi, Janet. 2008. „Mind the Gap: The London Underground Map and Users‘ Representations of Urban Space.“ Social Studies of Science 38:7-33. S. 9.

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