Wissenschaftliche Publikationen machen Forschungsergebnisse für Aussenstehende sichtbar. Mit der Veröffentlichung von beispielsweise Dissertationsschriften (oder auch Vorträgen/Posterpräsentationen) erregen junge WissenschaftlerInnen erstmals die Aufmerksamkeit ihrer Fachcommunity. Das Sichtbarwerden der Resultate langdauernder Arbeit mittels Publikationen stellt nicht nur junge Forschende vor zuweilen grosse Herausforderungen. Wie kommt man vom Datenkorpus zum Publikationstext? Wie lassen sich empirische Ergebnisse schriftlich präsentieren? Welchen Stellenwert nehmen dabei einerseits die Daten an sich, andererseits die Methodologie, die Auswertungen sowie die Lesarten ein? Mit diesen Herausforderungen habe ich mich vergangene Woche in einem Vortrag und einem Workshop am Networking Day von QualiZüri befasst. Auf den Vortrag folgte eine Podiumsdiskussion zum Publizieren in der qualitativen Sozialforschung.
Im Folgenden stelle ich meine Präsentation vom Vortrag sowie einige Reflexionen auf den Workshop zur Verfügung.
Im Rahmen des Vortrags sowie der Podiumsdiskussion war für mich eines zentral: Wissenschaftliches Schreiben bezieht sich nicht allein auf das Erstellen eines Publikationstextes. Vielmehr ist wissenschaftliches Schreiben ein Forschungsinstrument, das im Rahmen der qualitativen Sozialforschung unabkömmlich ist. Schreiben dient zunächst einmal dem Dokumentieren und Analysieren, ehe es dem Präsentieren dient. Zuerst müssen die Resultate einer empirischen Untersuchung erarbeitet werden, auf diesen aufbauend folgen dann die Auswahl des entsprechenden Publikationsorgans sowie der kompositorische Akt des Schreibens. Im Zuge der aktuellen strukturellen Entwicklung der akademischen Karriere beobachte ich aber zunehmend das umgekehrte Vorgehen: Es wird ein A-Journal ausgesucht, das strategisch ins Publikationsportfolio passen könnte und für dieses Journal werden dann die Inhalte einer Publikation zusammengesucht. Fraglich ist, inwiefern solche Publikationen dem Forschungsgegenstand und den empirischen Ergebnissen einer qualitativen Sozialforschung gerecht werden können.
Im Rahmen des ganztägigen Schreibworkshops, der am darauffolgenden Tag stattfand, hatte ich das Vergnügen, konkrete Schreibprojekte (Dissertationen, Fachpublikationen) kennen zu lernen und mich gemeinsam mit den Teilnehmerinnen (zufällig ausschliesslich Frauen) den spezifischen Herausforderungen ihrer Texte zu widmen. Der Workshoptag war zweigeteilt: Am Vormittag widmeten wir uns bereits bestehenden Texten, prüften diese hinsichtlich ihres Aufbaus, ihrer Argumentation und ihrer sprachlichen Ausgestaltung. Es zeigte sich auch hier schnell: Erst wenn klar ist, welche Forschungsergebnisse präsentiert werden sollen, dann lässt sich der entsprechende Publikationstext konzipieren – nicht umgekehrt. Am Nachmittag stand dann die konkrete Weiterentwicklung von Schreibprojekten im Zentrum. Die Teilnehmerinnen überarbeiteten dabei unter anderem die Komposition bereits begonnener Publikationen, strukturierten ihr Material im Rahmen von Clustering-Übungen, legten erste (kommentierte) Gliederungen an oder versuchten, bereits in einem frühen Stadium des Schreibens eine Einleitung zum geplanten Text zu verfassen. Alle diese Schreibmethoden haben gemeinsam, dass sie den Forscherinnen aufzeigen, an welchen Stellen entweder die Forschungsresultate noch nicht klar genug gefasst sind oder wo Struktur und Argumentation noch nicht vollständig nachvollziehbar sind. Besonders wertvoll ist hier das Feedback aus der Peer-Group: Als Aussenstehende, nicht mit dem Text verbundene Leserinnen konnten die Teilnehmerinnen den Textgeberinnen eine vielfältige, multiperspektivische Rückmeldung geben. So konnten alle von einem objektiven Feedback profitieren, das in der eigenen Forschungsgruppe oder im eigenen Projektteam in dieser Form gar nicht möglich wäre.