„Eines der tragenden Fundamente jedes modernen Staates ist sein Bildungswesen. Niemand müsste das besser wissen als die Deutschen. Der Aufstieg Deutschlands in den Kreis der großen Kulturnationen wurde im 19. Jahrhundert durch den Ausbau der Universitäten und der Schulen begründet. […] Jetzt aber ist dieses Kapital verbraucht: Die Bundesrepublik steht in der vergleichenden Statistik am untersten Ende der europäischen Ländern neben Jugoslawien, Irland und Portugal. Die jungen Wissenschaftler wandern zu Tausenden aus, weil sie in ihrem Vaterland nicht mehr die Arbeitsmöglichkeiten finden, die sie brauchen.“ [1]
Diese Krisenbeschreibung könnte aktueller nicht sein und doch ist sie schon über 50 Jahre alt.
Seit Oktober 2014 engagiere ich mich in der Initiative „Für gute Arbeit in der Wissenschaft“ um Aufmerksamkeit zu erregen für die prekären Arbeitsbedingungen in unserer Branche und um aktiv Veränderungen herbeizuführen (wie es dazu kam, habe ich in einem Blogartikel erläutert).
Und es zeichnen sich erste Erfolge ab. Zunächst einmal geht es uns in der Initiative darum, auf einer breiten Basis zu informieren, das tun wir beispielsweise, indem wir in unterschiedlichsten Formaten und über verschiedenste Kanäle kommunizieren – zuletzt mittels einer Publikation in der „Soziologie“, dem Mitglieder-Journal der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Artikel hier). Des Weiteren geht es auch darum, sich mit anderen, vergleichbaren Initiativen zu vernetzen, wie beispielsweise der Initiative „Perspektive statt Befristung“, die von mehr als 25.000 Menschen unterzeichnet und Mitte März an das Bundesministerium für Bildung und Forschung überreicht wurde. Aus meiner Sicht zieht sich das Ministerium jedoch aus der Verantwortung, Kommentar dort war: Die Zuständigkeit liegt eigentlich bei den Ländern. Somit wären wir bei den aktiv herbeizuführenden Veränderungen angelangt. Ab April sitze ich im Ausschuss “Beschäftigungsbedingungen in der Soziologie/Ethik” der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS). Dieser Ausschuss wurde auf Drängen der Initiative „Für gute Arbeit in der Wissenschaft“ gebildet, neben mir sind zwei weitere MittelbauerInnen in diesem Ausschuss vertreten und unser Ziel ist die Anpassung des Ethik-Kodex der DGS dahingehend, dass Stellenausschreibungen und -besetzungen in der Soziologie mit vernünftigen, angemessenen Rahmenbedingungen stattfinden. Dabei geht es in erster Linie um eine Selbstverpflichtung, denn „[o]b Stellen halbiert oder gedrittelt werden, ob in Projektanträgen zusätzliche Mittel für Vertretungen und Vertragsverlängerungen in Folge von Mutterschutz, Elternzeit, Pflege betagter Eltern und anderen Betreuungszeiten eingeplant werden und ob faire Einstellungsverfahren durchgeführt werden, liegt in der Verantwortung von Leitungspersonen.“ [2]
Und es tut sich etwas: Die Max Planck Gesellschaft beispielsweise hat sich dazu verpflichtet, Dissertationen nicht mehr als Stipendien auszuschreiben, sondern als sozialversicherungspflichtige Stellen – ein längst überfälliger Schritt, der durchaus zahlreich Nachahmung erfahren sollte. Die DGS könnte, so wünsche ich mir das und setzte mir das zum Ziel, eine ähnliche Selbstverpflichtung aussprechen.
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[1] Picht, Georg (1964): Die deutsche Bildungskatastrophe. Freiburg i. Br.: Herder. S. 16
[2] Nina Amelung, Eva-Christina Edinger, Jan-Christoph Rogge, Peter Ullrich & Tina Weber (2015): Für gute Arbeit in der Wissenschaft. Initiative führt zu Diskussionen in der DGS. In: Soziologie, Jg. 44 (2), S. 226-230. S. 228.
Und aktuell dazu ein Bericht im Radio: http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/nahaufnahme/201503/218326.html
Und eine Tagung in Basel: https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Agenda/Tagung-zur-Zukunft-des-akademischen-Mittelbaus.html