Social Media in der Lehre – was ist das? Und wenn ja, wie viele?

Reflexion meiner Lehre im Rahmen einer Blogparade

Seit Juni bin ich am Forschungsprojekt Social Media in Lehr- und Lernszenarien an der FHNW beteiligt. Im Rahmen dieses Projektes erforschen wir den Einsatz von Social Media in der Lehre. Unter anderem ist es unser Ziel, best practices zu identifizieren. Um diese best practices zu finden, habe ich vor einiger Zeit den Vorschlag zu einer Blogparade gemacht, die jetzt von meinem Kollegen Jonas Konrad angestossen wurde (was mich natürlich sehr freut).

Ich sehe meine Lehrtätigkeit zwar nicht als best practice, aber ich möchte diese Gelegenheit nutzen, einerseits meine eigene Lehrtätigkeit im Rahmen neu gewonnener Erkenntnissen zu reflektieren und andererseits meine Erfahrungen mit dem Einsatz von Social Media anderen Lehrenden zur Verfügung zu stellen. Und zugleich die Studierenden-Perspektive mit einzubeziehen.

Ein Geständnis vorneweg: Ich habe Social Media schon eingesetzt, ohne überhaupt zu wissen, dass sie so heißen! Bereits im Studium (vor ca. 10 Jahren) wurde ich mit moodle konfrontiert, damals im Studienfach Kunst- und Medienwissenschaften an der Uni Konstanz. Dass es sich hierbei um ein Learning Management System handelt und einzelne darin enthaltene Tools wie z.B. Foren als Social Media bezeichnet werden, war mir damals egal. Heute ist das jedoch ganz anders!

Social Media sind für mich aus dem Lehralltag nicht mehr wegzudenken. Die Vielzahl der verfügbaren Tools und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten faszinieren mich mehr und mehr und sie unterstützen mich ungemein! Bedingt durch die Vielfalt entsteht aber auch die Notwendigkeit, sich damit auseinanderzusetzen, welche Tools sich für welche Lehr- und Lernsettings und welche didaktischen Methoden und Ziele einsetzen lassen.  Das möchte ich am Beispiel der Lehrveranstaltungen Raum-Expedition: Konstanz und (Für) Gesellschaft bauen – Perspektiven der Soziologie, Architektur und Psychologie auf das Wohnen im Alter deutlich machen.

In beiden Lehrveranstaltungen untersuchten Studierende empirisch Fragestellungen der Raum- und Architektursoziologie. Vorwiegend wurde in Paaren oder Gruppen zusammengearbeitet. Für die Organisation der Veranstaltungen im allgemeinen und für die Arbeit in den Gruppen im speziellen wurde das Learning Management System Ilias genutzt, welches die Studierenden sehr schätzen „Gerade bei der Kommunikation kam es hin und wieder zu Missverständnissen. […] Die Lösung hier war die Einigung, nur noch über Ilias zu kommunizieren und alle Gruppenmitglieder sollten sich dort regelmäßig austauschen. Durch die übersichtliche Gestaltung der Themen und der Möglichkeit Dokumente zu hinterlegen, hat dies dann sehr gut funktioniert.“ (Reflexionsbericht einer Studentin des Seminars) (siehe hierzu auch den Blogpost „Lehrend forschen – Lessons Learned“, Abschnitt „Toolbox für die einzelnen Phasen im Forschungsprozess“). Weitere Tools, die zur Organisation und Koordination eingesetzt wurden, waren Doodle zur Terminabstimmung und das Filesharing der Universität Konstanz zum Austausch großer Dateien, die sich nicht in Ilias hinterlegen ließen.

Zu Beginn beider Seminare wurden mittels Brainstorming und Ideen-Cluster Forschungsfelder, Forschungsideen und Fragestellungen entwickelt. In Raum-Expedition: Konstanz wurde in einer der ersten Sitzungen ein Mindmap angelegt, welches mit Hilfe des Programmes Mindmanager digitalisiert wurde. Das Mindmap diente als Grundlage für ein Projekt-Wiki, welches von den Studierenden im Laufe des Semesters erstellt und gepflegt wurde. JedeR StudentIn  übernahm die Verantwortung für drei Artikel in diesem Wiki. Das Wiki war für die Studierenden mit großem Aufwand verbunden, umso  wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass die Wiki-Artikel in die Note einfließen. Die Wiki-Artikel sind in diesem Fall mit 10% in die Note eingeflossen, die Anforderungen waren folgende: „[…] sinnvoll aufgebaut. Artikelstruktur lässt erkennen, dass die Methode „Wiki“ verstanden wurde. Artikel sind inhaltlich korrekt. Verknüpfungen zu anderen Artikeln sind vorhanden. Die Artikel beziehen sich auf die Arbeit im Projektseminar“ (Zitat aus den Leistungsanforderungen, die ich für jede Lehrveranstaltung erstelle und den Studierenden im Vorfeld schriftlich ausgebe).

Mindmap für Wiki Raum-Expedition Konstanz

Das Mindmap wurde im Laufe des Seminars weiter gepflegt, bereits vergebene und bestehende Artikel wurden mit einem Häkchen versehen. So konnte jederzeit nachverfolgt werden, welche Artikel bereits bestanden und welche lediglich als Idee vorgebracht worden waren. (Eine Erweiterung/Optimierung des Mindmaps wäre die kollaborative Arbeit daran. Ein kostenloses Tool wäre hier z.B. Prezi. Zum didaktischen Einsatz von Prezi siehe meinen Blogpost unter http://www.digitallernen.ch/2012/07/prezi/)

Von zentraler Bedeutung für die Arbeit in den Gruppen war nicht nur die Koordination und Organisation selbiger via Ilias und das Bereitstellen von Dateien, sondern der inhaltliche Austausch. In beiden Lehrveranstaltungen wurde in jeder Lehrveranstaltung ein allgemeines Forum und für jede Arbeitsgruppe ein eigenes spezifisches Forum eingerichtet. In diesen Foren fand ein großer Teil der inhaltlichen Arbeit statt. Fragen wurden gestellt und beantwortet, die Entwicklung von Forschungsinstrumenten kommentiert, Erkenntnisse und Erfahrungen diskutiert. Diese Foren wurden sehr rege genutzt, Beleg dafür sind die insgesamt 862 Forenbeiträge und über 12 000 Lesezugriffe (Stand 19.10.2012, die Kurse sind weiterhin online aufrufbar). Auch mich überraschen diese Zahlen, weil es sich letzten Endes lediglich um knapp 30 Studierende aus zwei Lehrveranstaltungen handelt. Aber es freut mich natürlich auch. Auch die Arbeit in den Foren war Teil der Leistungsanforderungen. Die Mitarbeit während der Sitzungen und die Forenbeiträge flossen z.B. im Rahmen von Raum-Expedition: Konstanz mit 15% in die Note ein, vorausgesetzt wurde ein regelmäßiger Beitrag zur Lehrveranstaltung und dass „die Beiträge das Thema voranbringen und über den Tellerrand blicken lassen“ (Zitat aus den Leistungsanforderungen). Aus didaktischer Sicht ist zu beachten, dass die Foren natürlich anmoderiert und gut eingeführt sein müssen und dass die Studierenden einerseits unter sich Fragen diskutieren können, andererseits bei Schwierigkeiten und Problemen jederzeit auch auf die Unterstützung durch die Dozierenden zählen können. Ich habe höchstwahrscheinlich maximal ein Viertel aller Forenbeiträge gelesen und wesentlich weniger selbst geschrieben bzw. kommentiert. Aber ich empfehle KollegInnen generell, einen groben Überblick über den Stand der studentischen Diskussionen zu  haben. (Siehe zum Thema Wiki & Foren didaktisch einsetzen auch meinen folgenden Blogpost http://www.digitallernen.ch/2012/03/effizienter-lehren/)

Abrundend möchte ich noch auf Skype zum Chatten und zum Durchführen von Online-Besprechungen hinweisen. Manches lässt sich synchron und mündlich schneller besprechen oder auch zeigen, z.B. im Umgang mit Tools und Programmen. Hier schätze ich sehr die Möglichkeit der Bildschirmfreigabe, so dass meine GesprächspartnerInnen sehen, was ich gerade mache und damit ich einzelne Schritte zeigen kann. Das hat sich ebenfalls im Austausch mit Studierenden als sinnvoll und zielführend erwiesen.  Ob es sich hierbei um ein  Social Media Tool handelt oder nicht, hängt ein Stück weit von der Perspektive ab.

Zum Schluss möchte ich auf eine Bemerkung vom Anfang zurückkommen: Es ist wichtig, das richtige Tool für das jeweilige Setting und die jeweiligen didaktischen Methoden und Ziele auszuwählen. Darüber hinaus ist es essentiell, sich im Vorfeld mit den Tools auseinanderzusetzen, um diese auch kompetent einsetzen zu können. Studierende legen großen Wert darauf, dass die Tools sinnvoll und richtig eingesetzt werden. „Und vor allem sind auch Dozenten zum Teil recht mangelhaft ausgebildet“ – „Die kommen gar nicht draus“ (Zitate Fokusgruppe mit Studierenden im Projekt Social Media in Lehr und Lernszenarien).

Für die Lehre sind Social Media aus meiner Sicht ein großer Gewinn und die Auseinandersetzung damit lohnt sich – für beide Seiten, Studierende wie Dozierende gleichermaßen.

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